„Monika Maag mag Magie“

Blickpunkt Region Zürcher Unterländer vom 30.04.2005

OTELFINGEN/UNTERLAND / Heute ist die Nacht der Hexen und der Fruchtbarkeit

 

Otfried Preusslers „Kleine Hexe“ flog mit ihren Kolleginnen in der Nacht vom 30.April zum 1.Mai auf dem Besen rund um den Brocken des Blocksbergs. Sie feierten die Walpurgisnacht. Von der Magie verzauberte, moderne Zeitgenossen treffen sich auch heute wieder zu ihrem wichtigsten Jahreskreisfest. „Es heisst Beltane und ist ein keltisches Ritual der Fruchtbarkeit“, sagt Monika Maag, die sich nicht Hexe nennen will. Auch Kräuterfrau trifft nur einen Teil ihrer Berufung. Doch hat sie dieses Handwerk bei der Grossmutter gelernt, im Breitlen-Wald am Lägernhang.

 

Die Otelfingerin Lina Kofel hätte sich dagegen verwahrt, Zauberkräfte zu bemühen. Ihr ganzes Leben verbrachte sie im Oberdorf. Dort wohnte sie mit ihrem Ehemann Jakob und ihrem einzigen Kind Jacqueline. Sie kannte alle Kräuter, Pilze und seltenen Blumen. „Sie stellte wunderbare Teemischungen her, wusste, was gegen Husten hilft, Rheuma vertreibt oder gute Laune macht“, erinnert sich ihre Enkelin. „In meiner Kindheit und Jugend zog es  mich magisch zu ihr, jede freie Minute verbrachte ich dort.“ Die beiden durchstreiften die Breitlen. „Sie nannte jedes Kräutlein mit Namen und erzählte von seinen Eigenschaften.“ 1999 ist Lina Kofel gestorben. „Unsere geheimen Plätze sind aber erhalten geblieben.“ Gelüstet es Monika Maag im Herbst nach dem Schwamm Krause Glucke – auf ins Otelfinger Wunderland!

 

Mit KV und Abschluss der Höheren Wirtschaftsfachschule sowie fünf Semestern Jurastudium im Ausbildungsrucksack, eröffnete Monika Maag vor einem Jahr ein Geschäft im Herzen Zürichs.  Noch kann sie nicht leben vom Verkauf und Handel mit der Magie. Deshalb erteilt die zierliche Frau mit dem wilden Lockenschopf zusätzlich ein paar Wochenlektionen Buchhaltung und Rechtskunde. Lieber stellt sie jedoch Räuchermischungen her, die bereits nach Deutschland, England und in die Niederlande exportiert werden. Dabei schöpft sie aus dem Wissen, dass die Grossmutter an sie weitergegeben hat. „Fehlt etwas an der Rezeptur, denke ich an sie.“ Garantiert falle ihr wenige Minuten später ein, welche Zutat es sei. „Obwohl Grossmutter zu ihren Lebzeiten nie Kräuter geräuchert hat, ist Verlass auf ihre Erfahrung.“
„Auch Grossvater war nicht ohne“, weiss Monika Maag. Kennen gelernt hat sie ihn nie. Doch man berichte, der schon in den 60er Jahren verstorbene Maurer und Sprengmeister habe eine Art Lebensberatung betrieben. Sein rat wurde im Dorf gesucht. „Wahrscheinlich habe ich von ihm hellseherische Fähigkeiten geerbt.“ Diese Quelle zapft die Enkelin bei der Ausübung ihres heutigen Berufes an. „Eigentlich mache ich einfach das, was ich am besten kann“, und das ist Zaubern. Mit ihren Worten: „Das Materialisieren von Gedanken in der Zeit.“ Anwenden tut sie das ausschliesslich für sich. Doch gehört es zu ihrer Berufung, anderen beizubringen, „wie man aus Wünschen Realität schafft“.

 

Ritualkurs, Talisman-Abend oder Chakra-Meditation nennen sich ihre Sittings. Teilnehmen kann jeder, der volljährig ist. Was dort geschieht, darüber herrscht Stillschweigen. „Rituale, die breitgetreten werden, gibt man der Lächerlichkeit preis. Sie verlieren an Kraft“, ist ihre Erklärung für die Geheimhaltung. „Dadurch schützt man sich und das Wissen der Ahnen.“ Verbotenes passiere nie. Es werden auch keine Tieropfer gebracht. Das gehöre in die afrikanische Magie des Voodoo. „Zauber soll nie aus seiner Kultur gerissen werden, das schwächt ihn.“ Werde für ein besonders starkes Ritual Blut gebraucht, nehme sie ihr eigenes. Monika Maag würde keinem Tier ein Haar krümmen. Sie ist Vegetarierin. Im Übrigen besitze sie keine schwarze Katze, dafür aber ein schwarzes Meerschweinchen.

 

Schwarz ist auch ihre Arbeitskleidung. Trotz dunkel umrandeten, blauen Augen erfüllt sie das Bild der klassischen Hexe nur teilweise. Dazu ist die krause Haarpracht zu golden. Die blutroten Fingernägel setzen dagegen wieder den richtigen Farbakzent fürs Image. Die schwarze Kleidung sei einerseits Kult, aber auch Faulheit, gesteht sie. „Ich mag morgens einfach nicht studieren, was zusammenpasst. „ Und etwas verlegen: „Die Kundschaft hat ein Recht auf ein bisschen Klischee.“ Als Magierin weiss sie, schwarz macht undurchsichtig, vermittelt dem Träger anderseits Schutz.

 

Auch ihr Messgewand ist schwarz. Niemand ausserhalb eines Rituals bekommt es zu Gesicht. So ist es Tradition. Neugierigen Augen verborgen bleiben auch die anderen Ritualgegenstände. Altar, Mörser, das Schwert… alles, was es im Laden zu kaufen gibt an magischen Gegenständen, Essenzen, Kräutern, Figurenkerzen, Räucherutensilien, Tarotkarten, Zauberbüchern. Ein ganz klein wenig erinnert Monika Maags Imperium an der Zürcher Kruggasse an die Londoner Winkelgasse aus Harry Potters Welt. Mit England hat die Inhaberin einiges am Zauberhut. Am Arther Finley College ins Stansted absolvierte sie eine mediale Ausbildung in klassischem englischem Spiritismus. Sie selbst bietet Workshops an und legt Karten.

 

„Magie zieht viele Leute in ihren Bann, macht aber auch Angst“, weiss Monika Maag. Zu Unrecht, findet sie. Vom Satanismus distanziert sie sich. „Es ist Unsinn, sich einseitig dem Satan zu verschreiben.“ Magie vertrage weder Ein-noch Beschränkung. „Es gibt Licht und Schatten, beides muss existieren.“ Auch der in England praktizierten Naturkultreligion Wicca fühlt sie sich nicht verbunden. „ Unsere Magie ist weder Religion noch Sekte. Wir missionieren nicht, bedrängen niemanden, verkaufen keine Ideologie. Wer sich dem Zauber des Lebens verschreibt, nimmt lediglich sein Schicksal selbst in die Hand. Erschafft sich mit Wille und Imagination kreativ eine eigene Welt.
Das tönt nach Esoterik – „und ist es auch“, sagt die gebildete Frau. Denn das Wort bedeute nicht mehr und nicht weniger als die Reise ins Innere. Gestaltungsmöglichkeiten biete dabei Betane. „Traditionelle Handlungen, die gleichzeitig an vielen Orten der Welt vorgenommen werden, bergen enorme Energie. Deshalb schickt man heute Nacht mit vereinten Kräften Wünsche auf den Weg ihrer Erfüllung.“ Wer dabei den Respekt vor anderen und der Natur wahre, werde mit Geduld Wunder erleben. Die Grossmutter habe diesen Respekt gehabt. Als sich einst ihre Maiglöckchen im Otelfinger Garten zu sehr vermehrten, warf sie diese nicht auf den Kompost. „Am Abend vor Anbruch des Wonnemonats stachen Grossmutter und ich sie sorgsam aus und pflanzten sie überall im Breitlen-Wald aus.“ Der Zeitpunkt dieser Aktion war kein Zufall, ist Monika Maag rückblickend überzeugt.

 

Barbara Weber-Ruppli

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